Ton und Kirschen Wandertheater (D)
Als Schreiber in einer New Yorker Kanzlei ist Bartleby eigentlich der ideale Angestellte, hingebungsvoll fleißig, rechtschaffen und still. Doch leise und sanftmütig spricht er auch, immer wieder, den einen Satz, der seinen Vorgesetzten in die Verzweiflung treibt. „Ich möchte lieber nicht.“ Bartleby möchte lieber keine Abschriften prüfen. Er möchte lieber keine Botengänge übernehmen. Schließlich möchte er überhaupt nicht mehr schreiben. Er möchte aber auch die Kanzlei nicht verlassen. Und bleibt unverdrossen, still und gegen jeden Zuspruch, jede Drohung, jede Hilfe resistent. Sein Aufbegehren gegen ein gleichförmiges Büroleben und schließlich gegen das Leben überhaupt macht ihn zu einer zentralen Figur der modernen Weltliteratur.
Selbst als Katoniker und Magersüchtiger ist Bartleby nicht der Kranke, sondern der Arzt eines kranken Amerika, der Medicine-man, der neue Christus oder unser aller Brüder. ( Gilles Deleuze)
(…)Schwächeanfall, Burnout, null Bock? Klar wird nur, Bartleby tut nur noch, was er will. Er gibt nahezu alles auf – am Ende sogar das Atmen. Widerstandsfreier und konsequenter war Verweigerung nie. Wahnsinn, wie sich Bartleby beim Büroumzug wie eine leblose Gliederpuppe transportieren lässt oder wie er im Gefängnis zusammenbricht. Doch ganz besonders ein Bild erzeugt – neben Wut – auch tiefe Traurigkeit: Bartleby ist allein im nächtlichen Büro. Er steht am Fenster und verfolgt, als sich dieses durch den Raum zu bewegen beginnt, einzig und allein sein Spiegelbild. Was für ein Narzissmus, welche Einsamkeit! Ganz am Schluss schickt der Notar ihm und der ganzen Menschheit ein bedauerndes „Ach“ hinterher. Berührend und verstörend zugleich! (PNN)
Die hohe Kunst des Verweigerns: Ton und Kirschen überzeugen in „Bartleby der Schreiber“ mit Slapstick und Hintersinn.
Dieser Bartleby erinnert mich an die gemalten Einsamkeits-Gestalten von Edward Hopper: verlorene Seelen mit Blicken, die ins Leere gehen. Wir versuchen, sie zu ergründen und bleiben gebannt und doch ratlos zurück.
(…) Die zupackend-frische Inszenierung lässt viele Assoziationen zu: erinnert nicht nur an die dissonante Großstadtsinfonie Edward Hoppers, sondern auch an die brüchigen Charaktere Kafkas und an die Endzeitstimmung Becketts. Diese 80 Minuten spannungsgeladenes Theater fangen unsere auseinanderfallende Welt ein: diese permanent Leistung abrufende Zeit, in der innerer Rückzug und Depressionen rasant auf dem Vormarsch sind. Ton und Kirschen lassen uns aufgewühlt zurück.
(kultursegler.de)
Hier gibt es den Trailer.